Waldorfschule-alles Karma oder was? Umgang mit Krankheiten und gefährlichen Situationen

Nachdem wir am Wochenende von ehemaligen Waldorfeltern kontaktiert wurden, deren Geschichte im Waldorfschulkosmos hier nach zu lesen ist, erinnerte ich mich daran das ich doch noch zu einem Thema im Bezug zu Waldorfschule schreiben wollte : Dem Umgang mit Krankheiten, Behinderungen und auch der Umgang und die Haltung zu gefährlichen Situationen im Waldorfschulalltag.

Dass der Fall der Familie aus Mainz kein Einzelfall ist und dass dieser Umgang mit Krankheiten ihren Ursprung in der Anthroposophie, die die Grundlage jeder Waldorfschule, jedes Waldorflehrers und Waldorflehrerin ist, hat, sollte man nie aus den Augen verlieren.

Ganz deutlich wurde mir die Haltung der Anthroposophie zu diesem Thema bei diesem Zitat von Rudolf Steiner zu einem tödlichen Unfall mit einem Kind auf der Baustelle des Goetheanums, dem Zentrum der Anthroposophie in der Schweiz:

„Das Kind war also tot. Die äußere materialistische Anschauung
kann sagen: Nun ja, zufällig ist dort zu dieser Stunde der Möbelwagen umgefallen, das Kind kam darunter und wurde zerquetscht. So
wird natürlich die materialistische Anschauung sagen. Vor der spirituellen Anschauung ist das ein vollständiger Unsinn. Denn das, was
da vorliegt, ist das Karma des Kindes, und dieses Karma des Kindes
lenkte all die einzelnen Verhältnisse. Es hat auch den Möbelwagen
dorthin gelenkt gerade zu der Stunde, wo das Kind den Tod brauchte,
weil das Karma des Kindes es so wollte. Das Karma des Kindes war
abgelaufen. Wir haben es hier zu tun mit der Notwendigkeit, Ursache
und Wirkung wirklich umzukehren.“

Rudolf Steiner GA159 S.42

Da es stets mit dem Karma verbunden ist, besteht keine Notwendigkeit, besondere Vorsicht walten zu lassen, um unerwünschte Ereignisse zu vermeiden. Also etwas zugespitzt gesagt, aber diesen Eindruck bekommt man und wie ich jetzt an einigen Beispielen schreibe haben wir das auch so erlebt.

Blaue Flecken, Schrammen, blutige Lippen ganz „normal“!??

Als das Kind 2019 hier in die Waldorfschule kam, war sie in der 3. Klasse und in dieser Zeit gab es eine Periode, wo sie oft mit blauen Flecken durch starkes Festhalten an den Armen, Schrammen, selbst einer blutigen Lippe nach Hause kam. All das passierte immer in den Pausen beim Spielen mit den Mitschüler:innen. Beim Nachfragen kam dann raus, dass sie wohl Verbrecher und Polizisten spielten und als Gefangene dann in ein „Gefängnis“ gebracht wurden, dabei wurde sie dann unter anderem kräftig an den Händen gepackt das blaue Flecken entstanden.

Als ich die Klassenlehrerin dann darauf ansprach meinte diese in ganz typischen blumigen anthroposophischen Ton:

„Als ich gestern in der Mittagspause zufällig aus dem Fenster des Lehrerzimmers in den Hof blickte, sah ich ein ausgelassenes Spiel der dritten Klasse, bei dem es anscheinend darum ging, Mitschüler einzufangen und in ein ‚Gefängnis‘ zu sperren…..“Da das Spiel irgendwann zu grob wurde, bin ich eingeschritten und habe (vom Fenster aus) das Spiel unterbrochen.“

Email vom Mai 2019

Sie sprach dann wohl noch mit den Kindern darüber, aber wirklich eingestellt wurde das Spiel nicht. Als ich fragte, wo war den die zuständige Aufsicht auf dem Hof, der nicht groß war, da eigentlich nur der Hinterhof eines Wohnhauses, konnte sie mir nicht sagen wo die Aufsicht gewesen war.

Auch war es üblich das mit Stöcken geschlagen wurde, da gab es dann nur die Regel: Ein Stock darf nicht länger als der Unterarm sein. Ah okay, damit kann man natürlich niemand verletzen(Ironieoff).

Auch kam in der Mail wieder die so Waldorftypische Täter/Opfer Umkehr, dass das Kind doch mittendrin dabei war und daher waren die Verletzungen wohl in Ordnung. Irgendwann hörten die Spiele dann auf bzw. spielte das Kind da nicht mehr mit. Die Verletzungen wurden auch nur dokumentiert im Unfallbuch der Schule, als wir darauf bestanden.

Selbst als wir das Kind mit einer blutigen Lippe abholen mussten und ärztlich behandeln lassen mussten, da sie sich bei einem Spiel wieder mal verletzte, wurde es weder aufgeschrieben noch der Unfallkasse gemeldet, was bei ärztlicher Behandlung eigentlich automatisch zu erfolgen hat.

Sie wurde auch einmal im Auto der Lehrerin nach Hause gefahren, da sie wohl so einen Schlag oder Stoß an den Brustkorb abbekam, das sie kurzzeitig keine Luft mehr bekam.

All diese groben, gefährlichen Spiele hatten selten bis nie Konsequenzen, es wurde zwar versucht, mit den Kindern zu reden, doch die Verursacher, die so grob spielten und auch außerhalb der Spiele oft auffielen, erhielten keinerlei Konsequenzen, Hilfe oder unterstützende Angebote.

Es machte nie den Eindruck, dass das Problem ernst genommen wurde oder unterbunden werde sollte, es wurde eher gesagt:“ Ach, die haben soviel Energie, da ist auch mal ein blauer Fleck und Schrammen ganz normal!“ Ja, klar ist das normal, das ein Kind sich mal blaue Flecken oder Schrammen holt, aber doch nicht durch Gewalt und Grobheit von einzelnen Jungs im Spiel. Es schwebte immer dieses: das Karma der Kinder verlangt das jetzt so über all dem Ganzen. Wir sprachen die Thematik immer wieder an ohne großen Erfolg. Wir redeten mit dem Kind, das dann einfach nicht mehr mitspielte und sich damit aus diesen Situationen herauszog.

Interessant war nach dem Schulwechsel, dass sie meinte in den Pausen wurde nicht so gespielt und vor allem die Pausenaufsicht reagierte immer, wenn es mal gröber wurde und man konnte sich immer an sie wenden, wenn was ist. Es fiel dem Kind also selbst dieser großer Unterschied im Verhalten und reagieren der Lehrkräfte auf.

Spielen bis zum Krankenhaus?

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Jahre später das Kind ging inzwischen in die 6. Klasse der Waldorfschule, erhielt ich am ersten Schultag einen Anruf. Ich sollte das Kind abholen ihr wäre übel, es klang wie ein Magen/Darmproblem beim Anruf. Nichts dabei gedacht und mich auf dem Weg gemacht zum Abholen und traute meinen Augen nicht wirklich: Ein Kind mit lauter Petechien, also kleine punktförmige Einblutungen im gesamten Gesicht und Oberkörper, einem großem Hämatom am Brustkorb, Kopfschmerzen und Übelkeit! Nachdem mir dann auch noch beschrieben wurde, was passiert war, es war auf dem Spielplatz auf einem Karussell zum selbst drehen und Mitschüler scheinen es so schnell gedreht zu haben, dass diese ganzen Verletzungen entstanden war klar und sollte jedem klar sein, dass das ein Fall für den Arzt war, ja selbst ein Rettungswagen hätte gerufen werden können. Aber nein, die Lehrerin sass seelenruhig mit anderen quasselnd daneben, ohne groß zu erzählen, was passierte. Wir gingen dann natürlich zum Kinderarzt, der das Kind als Notfall in die Kinderklinik einwies, wo das Kind zwei Nächte zur Beobachtung und genauem Check bleiben musste und war insgesamt eine Woche krank geschrieben.

Selbst dort musste ich dann hinterher sein, damit das der Unfallkasse wirklich gemeldet wurde, obwohl ich die Schule noch am selben Tag über den Klinikaufenthalt informierte.

Auch da folgte als Erklärung der Klassenlehrerin:“ Ach, das war doch nicht so schlimm und ich habe es ja gestoppt.“ Ja, nachdem das Kind irgendwie fast außerhalb des Karussells hing und Stopp schrie. Dabei ist noch zu beachten, das Kind hat Epilepsie und die Klassenlehrerin wusste genau Bescheid, das so was allein schon aus Gründen der Epilepsie gefährlich ist und sie hatte genaue Instruktionen auf was zu achten ist, aber auch da wieder ein Herunterspielen der Gefahren.

Und das war kein Einzelfall an der Schule, ich erinnere mich daran, das einmal eine Klasse der Oberstufe mit dem Fahrrad zu einem See fuhr, ein Schüler auf dem Weg dorthin stürzte und sich die Hand verletzte, deutliche Zeichen einer Fraktur zeigte, aber die Lehrkraft gar nicht reagierte, erst Mitschüler dann den Rettungsdienst riefen nachdem Fahrrad fahren mit der Hand dann nicht mehr ging.

Eine andere Klasse sollte einen Ausflug zu einem Waldgebiet mit Steinbrüchen machen und der Klassenlehrer plante dort Badepausen, was streng verboten ist und was Eltern dann auch so mitteilten. Die Jugendlichen kamen dann mit nassen Sachen nach Hause, der Lehrer hielt sich natürlich nicht an die Verbote und Einwände der Eltern, sondern forderte die Jugendlichen sogar noch auf zu baden. Da ist sie wieder, die Haltung, dass sowieso alles Karma wäre, also wenn etwas passiert, dann soll das so sein.

Umgang und Sicht auf chronische Krankheiten

Als wir jetzt am Wochenende kontaktiert wurden und von der Familie hörten über ihr Erlebtes mit dem Umgang der Waldorfschule mit Diabetes der Töchter, wurden wir an den Umgang mit der Epilepsie von unserem Kind erinnert.

Als sie die Diagnose bekam, suchten wir das Gespräch mit der Klassenlehrerin, die auch sehr offen und gesprächsbereit war, allerdings wie man am beschriebenen Beispiel des Spielplatzbesuchs sah, dann nicht wirklich umsetzte, was an Vorsichtsmaßnahmen von uns genannt wurde.

Die erste Reaktion auf die Diagnose war übrigens der Satz: “ Oh, wir hatten gerade Bruchrechnung, da ist wohl auch was im Gehirn zerbrochen!“ Ja, so habe ich auch geschaut! Aber nicht vergessen Hintergrund der Waldorfschule ist die Anthroposophie, mit so einigen merkwürdigen Gedankengängen.

Rudolf Steiner sagte zur Epilepsie:

„Bei einem Epileptiker liegt das vor, dass er mit seiner Ich-Organisation und seinem astralischen Leib zwar in den physischen und Ätherleib untertauchen kann, dass er aber auf der andern Seite nicht herauskommt in die physische Welt, dass er darinnen festgehalten wird.“

Rudolf Steiner GA 317 S.50

Therapievorschlag bei Epilepsie übrigens schwimmenlernen und reguliertes Atmen.

Jedenfalls bot ich an, die Lehrkräfte der Schule über die Krankheit und über das Handeln bei einem Anfall zu informieren, das wurde nicht angenommen. Als ich mich erkundigte, wer den Ersthelfer an der Schule ist, konnte ich keine Antwort erhalten. Es wurden auch nicht alle Fachlehrer informiert und Vertretungslehrer gar nicht.

Wie ich später hörte, gab es dann eine interne Fortbildung, durch einen sehr anthroposophischen Lehrer, der keinerlei medizinische Kenntnisse hatte und noch weniger von der Art der Epilepsie bei unserem Kind. An der Fortbildung nahmen nicht einmal die Heilpädagogen der Schule teil, also wahrscheinlich eine Betrachtung der Epilepsie im Licht der Anthroposophie siehe Rudolf Steiners Zitat oben.

Einige Zeit später kam das Kind in einer Vertretungsstunde in eine andere Klasse und machte mit dieser Klasse einen Ausflug. Da das Kind schon ahnte, das die Lehrerin hat keine Ahnung hat, wollte sie die Lehrerin über die Epilepsie informieren und auch erzählen, wo sich ihr Notfallmedikament befindet. Als das Kind anfing zu erklären: „Ich habe Epilepsie!“ Bekam sie von der Lehrerin die Antwort: „Ja und?“ und wurde stehen gelassen ohne Erklärung. Wie unsicher sich das Kind fühlte an dem Tag und dann beim Spaziergang auch noch aufgefordert wurde, doch wie alle anderen am oder im Wasser zu spielen, machte die Sache nicht vertrauenswürdiger. Im Wasser darf das Kind aus Gründen nur mit Einzelaufsicht sein, aus logischen Gründen und auch aus versicherungstechnischen Gründen.

Wir sprachen die Vorfälle natürlich immer wieder an, wurden beschwichtigt und einfach nicht ernst genommen und später hat man die Kommunikation vonseiten der Schule komplett eingestellt. Es war dann ja auch klar, das wir die Schulen verlassen.

Ganz anders der Umgang mit der Epilepsie an der öffentlichen Schule, dort wurden alle Fachlehrer informiert über die Krankheit, die Anfälle und wo sich das Notfallmedikament befindet, dazu gibt es ein Protokoll und das wird jedes Jahr gemacht und wir füllen jedes Jahr ein Infoblatt dazu aus. Bei Ausflügen ohne Klassenlehrerin wird jedes Mal ein neues Blatt ausgefüllt, auf dem steht, welches Notfallmedikament mitgeführt wird und auch jedes Mal auch gezeigt, wo sich dieses befindet.

Also ein komplett anderer vertrauensvollerer Umgang mit der ganzen Situation, wodurch sich das Kind, aber natürlich auch wir viel sicherer fühlen.

Keine Einzelfälle

Dieser Umgang an Waldorfschulen mit Krankheiten oder eben auch Situationen, die vielleicht doch gefährlich sein könnten durch die anthroposophische Sicht auf die Entwicklung von Kindern und Menschen an sich, zeigt deutlich das alles sind keine Einzelfälle, sondern es ist System durch den anthroposophischen Hintergrund der Waldorfschulen. Das sollte jedem, der eine solche Schule wählt, einfach bewusst sein, was aber natürlich nicht so kommuniziert wird.

Das es aber Thema ist, zeigt die hiesige Waldorfschule selbst auf ihrer Homepage, dort fand am 20.1.2023 ein Schulrat zum Thema Inklusion statt. Ein Schulrat ist ein Treffen von Eltern, Lehrkräften und anderen Mitarbeitern der Schule, wo es um Themen rund um die Schule geht, man an Themen arbeitet, die gerade aktuell oder wichtig für die Schulgemeinschaft erscheinen.

Bei diesem Schulrat ging es also um Inklusion. In verschiedenen Arbeitsgruppen wurde dazu gearbeitet und wie man auf den Fotos der Seite sehen kann, ging es wohl auch um das Thema Karma, also ganz offensichtlich, wie wichtig und zentral die Anthroposophie in Waldorfschulen ist, bei so einem wichtigen Begriff wie Inklusion Zusammenhänge mit Karma und Wiedergeburt herstellen, ja genau das ist Anthroposophie, genau auf diesen Prinzipien sind Waldorfschulen aufgebaut!

Und da jetzt dann Fragen kommen: Nein wir konnten nicht so einfach die Schule wechseln, durch die etwas schwierige Schulbiographie und den langen Weg der Diagnostik des Kindes!

Habt ihr auch Erfahrungen in dieser Richtung gemacht oder was denkt ihr darüber schreibt gerne in den Kommentaren.




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