Wie im letzten Beitrag schon geschrieben, gibt es heute mal einen Beitrag über das norwegische Gesundheitssystem.
Das Gesundheitssystem gehört genau wie in England, Italien, Portugal, Spanien, Schweden und Dänemark) zum Beverigde Modell, d.h. es ist ein steuer finanziertes Gesundheitssystem, das nach dem Fürsorgemodell die gesamte Bevölkerung in die Absicherung einschließt. Also wirklich alle einschließt, jedoch auch eine Selbstbeteiligung beinhaltet.
Das Modell ist nach William Henry Beveridge benannt, er erstellte dem britischen Unterhaus 1942 einen Report zur Sozialpolitik mit vielen Vorschlägen zu einem System zur sozialen Sicherheit. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Report Grundlage der britischen Sozialversicherung.
Die wichtigsten drei Punkte:
1. Es deckt die gesamte Bevölkerung ab.
2. Es wird vorwiegend aus dem Staatsbudget finanziert.
3. Es sieht einheitliche Pauschalleistungen vor.
Es ist also ein Solidaritätsprinzip über Steuern finanziert. Vom Staat, also zentralistisch gesteuert.
Inhaltsverzeichnis
Das hat natürlich Vor- und Nachteile:
Vorteile: Alle sind am System beteiligt, wenig Lobbyismus. Niemand wird benachteiligt.
Nachteile: Leistungen werden staatlich reglementiert. Es können also medizinische Leistungen und auch Medikamente reglementiert werden. Sehr wenig Raum für alternative Heilmethoden. Steigende Selbstbeteiligung bei sinkenden Steuereinnahmen.
Wie das norwegische Gesundheitssystem genau aussieht
Es ist also so das es in Norwegen nur eine staatliche Krankenkasse gibt in die eingezahlt wird. Die Ausgaben vom Gesundheitssystem aber auch Renten, Arbeitslosengeld und alle anderen Sozialleistungen werden aus diesem einem Versicherungsfond bezahlt.
Der Fond wird aus 75% Beiträgen und 25% Steuern zusammengesetzt. Arbeitnehmer zahlen 8,2 % des Brutto Einkommens als Teil der Steuer, der Arbeitgebersatz liegt bei 14,1% (Stand Januar 2019). Es gibt auch geringe Sätze für Arbeitgeber, je nach Standort des Betriebes.
Da das Ganze vom Staat gesteuert wird, ist es auch der Staat welcher bestimmt welche Medikamente zur Verfügung stehen und auch welche Therapiemaßnahmen bei den verschieden Krankheiten. Das kann dazu führen das die neuesten Therapiemaßnahmen oder auch Medikamente nicht zur Verfügung stehen bzw. erst viel später. Es gibt immer die Möglichkeit einzelne Massnahmen zu beantragen usw., aber der Weg ist nicht immer ganz leicht.
Jeder hat einen fastlege(Hausarzt) bei dem alle Untersuchungen gemacht werden, auch Kinder gehen zu diesem Hausarzt oder auch in der Schwangerschaft usw. . Bei Bedarf überweist der Hausarzt dann an Fachärzte, die größtenteils dann an Polikliniken in den Krankenhäusern sind.
Pro Arztbesuch bezahlt man dann einen Eigenanteil, da kommt es ganz drauf an wie die Spezialisierung des Arztes ist. Beim „normalen“ Hausarzt bezahlt man 155 Kronen rund 15 €, ein Hausarzt der Facharzt ist kostet dann 204 Kronen. Hat man eine Überweisung zu einem Facharzt kostet die dortige Untersuchung pro Besuch 351 Kronen. Eine Röntgenuntersuchung schlägt mit 250 Kronen zu Buche.
Insgesamt braucht man im Jahr aber nur 2369 Kronen bezahlen(Stand Januar 2019, das ändert sich wie auch die Kosten jedes Jahr), danach ist man von Zuzahlungen befreit.
So hat mein gebrochener Arm im letzten Jahr gereicht, um die Zuzahlungsgrenze für das Jahr zu erreichen.
Grundsätzlich befreit von Zuzahlungen sind: Kinder bis 16 Jahre, Schwangere, Arbeitsunfälle und einige ansteckenden Krankheiten, wie zum Beispiel Chlamydien.
Die aktuellen Kosten findet man immer hier.
Bei Rezepten muss man ca.36% des Preises bezahlen.
Zahnarztleistungen werden nur bis zum 18. Lebensjahr von der Krankenkasse übernommen.
Ein großer Vorteil im norwegischem Gesundheitssystem ist es, das die Ärzte und Krankenschwestern deutlich weniger Zeitdruck und auch Kostendruck haben und damit eine viele bessere Betreuung vom Pflegeschlüssel möglich ist. Auf 10000 Einwohner kommen in Norwegen 163 Krankenpfleger, in Deutschland sind es 80.Der Anteil an Ärzten je 10.000 Einwohner in Norwegen bei 43, in Deutschland bei 41.(Mehr Statistik hier)
Da merkt man deutlich den Unterschied zwischen dem doch kommerziellen System in Deutschland und dem in Norwegen. Denn Ärzte sollen eine medizinische Versorgung schaffen, sind aber in einem kommerziellen System auch die Grundlage für Gewinne. Krankenpfleger sollen dem Patienten dienen verursachen aber in einem kommerziellen System eben auch mehr Kosten. Krankenhausbetten die belegt sind verdienen Geld, leere kosten Geld.
Doch hier ändert sich auch was im Land, denn mehr wie 500000 Norwegen haben inzwischen eine private Zusatzversicherung, damit 13 Mal so viel wie noch 2006. Bei 90% übernimmt der Arbeitgeber die Versicherung, einfach damit der Arbeitnehmer schneller Termine und Untersuchungen bekommt,der Unterschied kann bei einer MR-Untersuchung schon mal Monate sein, damit die Arbeitnehmer eben schneller wieder fit sind. Damit wird das norwegische Gesundheitssystem langsam auch immer mehr verändert.
Durch die Geographie des Landes und der geringen Bevölkerungsdichte ist das norwegische Gesundheitssystem sehr kostenintensiv. Durch Zentralkrankenhäuser und anderen Zentren wird versucht ein gutes Angebot zu schaffen.
Grundsätzlich ist die medizinische Versorgung in Norwegen sehr gut und die Pflege ist eine ganz andere, oft hat man als Pflegekraft noch wirklich Zeit für die Patienten.
Das deutsche Gesundheitssystem
Genau wie in Österreich, Schweiz, Belgien ,Niederlande und in Frankreich fußt das Gesundheitssystem auf Bismarck. Otto von Bismarck hat 1883 die Krankenversicherung und 1884 die Unfallversicherung eingeführt. Das System gründet sich auf den Gedanken der Hilfe der Gegenseitigkeit und dem sozialen Sicherungsgedanken der aktiven Bevölkerung.
Es finanziert sich über Beiträge und Versicherungsträger(öffentlich und privat). Das System ist Einkommensbezogen und dabei werden Pflichtbeiträge von Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Steuern gezahlt. Es gibt öffentliche und private Anbieter(Krankenhäuser, Ärzte) und auch öffentliche und private Krankenkassen.
Vorteile und Nachteile dieses Systems:
Vorteile:
Eine solidarische Finanzierung durch die Versicherten. Freie Arztwahl und auch Zugang zu alternativen Heilmethoden. Weniger Reglementierungen und Leistungsanreize.
Nachteile:
Starker Lobbyismus. Ein Missbrauch des Systems ist möglich. Patient dient zum Geld verdienen.
Bedeutung für Deutschland:
Ein großer Druck in den Krankenhäusern , da mit wenig Personal viel Patienten behandelt werden sollen, damit der Verdienst groß ist.
Man hat eine große Auswahl an Therapieformen, Leistungen und Medikamenten
Das Problem der Zweiklassenmedizin, durch den Unterschied Privat versichert und gesetzlich versichert.
Ein drittes Gesundheitssystem ist das Osteuropäisches oder Semashko-Modell
Ein zentralistisch-planwirtschaftliches Modell des Sozialismus
Gründet sich auf freien Zugang und staatliche Leistungserbringer.
Dann gibt es noch das amerikanische Modell eines rein privat finanzierten Modells.
So hat das norwegische Gesundheitssystem wie man sieht eine Menge Vorteile, wie auch Nachteile ebenso wie alle anderen Systeme. Wir können uns auf jeden Fall glücklich schätzen das eine oder andere der Systeme nutzen zu können. Wir werden sehen wie die Systeme mit den Herausforderungen der Zukunft mit steigender Lebenserwartungen, immer neuen Möglichkeiten der Technik und neuen Fragen in de Ethik umgehen werden und sich entwickeln werden.
Sehr interessant für mich als Gesundheitstouristikerin und danke für die Darstellung des norwegischen Gesundheitssystem. LG Marina
Auf den ersten Blick wirkt das dem unseren gar nicht so unähnlich abgesehen von den privaten Zahlungen pro Arztbesuch. Kannst du genauer erklären, warum im Norwegischen Gesundheitssystem Lobbyismus kaum möglich ist, das deutsche aber dafür so anfällig zu sein scheint?
Grundsätzlich verstehe ich nicht, dass es über großen Teich so viele Leute gibt, die gegen Gesundheitssysteme dieser Art grundsätzlich sind! Ist mir ein einziges Rätsel!
Ein wirklich interessanter und informativer Beitrag! Danke für diese spannenden Einblicke!
Jedes System hat zwar, wie du schon schreibst, Vor- und Nachteile, beim österreichischen Gesundheitssystem passt jedoch m.E. das Kosten-Nutzen-Verhältnis überhaupt nicht mehr. Um den Sozialversicherungsbeitrag, den ich monatlich zahle, könnte ich mich wirklich gut privat versichern, was ja derzeit noch hinzukommt und damit wirklich extrem teuer ist. Ich überlege es dennoch alle paar Monate mal und kenne inzwischen viele, die zusatzversichert sind.
Viele liebe Grüße
Julie
Danke für den interessanten Einblick. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass mir die herrschenden Konzepte oft viel zu undurchsichtig und schwer zu verstehen sind.
In Österreich ist ja zurzeit (leider) einiges im Umbruch, was politischen Schnellschüssen zu verdanken ist. Ich fand die Regelung mit den dezentralen Krankenkassen eigentlich nicht schlecht. Wobei ich als nicht so schlecht Verdienerin schon sagen muss, dass meine Beiträge ziemlich hoch sind für das was ich brauche.
Was ich am norwegischen Modell jedenfalls sehr sympathisch finde, ist der Selbstbehalt. Wenn ich mir bei uns ansehe, wie viele Leute so tagtäglich wegen verqueren Blähungen in den Ambulanzen sitzen und Kapazitäten wegnehmen, wäre ich für einen kleinen finanziellen Beitrag dazu.
Lg Barbara
Hei,
danke für diesen schönen Blog 🙂
Wisst ihr etwas in Bezug auf den Beruf der Heilpraktikerin in Norwegen – ist es dort möglich, ähnlich zu arbeiten wie in Deutschland? Decken die privaten Zusatzversicherungen solche Bereiche teilweise ab? Wie anerkannt/üblich ist es in der norwegischen Bevölkerung, zu einer Heilpraktikerin zu gehen?
Ich freue mich, wenn ihr mir da ein wenig weiterhelfen könntet, da ich mit dem Gedanken spiele, vielleicht nach Norwegen auszuwandern. Dankeschön 🙂
Vielen Dank für den informativen Beitrag. Wir planen nach Norwegen auszuwandern. Allerdings habe ich eine chronische Krankheit und benötige regelmäßig Medikamente. Hast du hier einen Tipp was ich im Vorfeld beachten sollte? Bekomme ich die Medikamente die ich jetzt habe auch in Norwegen?
VG Anja