Ich bin nicht mehr nett!

Der Titel ist mal wieder ziemlich reißerisch. Eigentlich halte mich ja immer noch für einen netten Kerl, der zwar manchmal etwas grimmig dreinschaut, aber im Grunde ganz harmlos ist.

Ich hatte schon in früheren Beiträgen erwähnt, dass ich sehr viel in den sozialen Netzwerken aktiv bin und dort gegen Hass und Falschinformationen ankämpfe. Das tue ich zum Glück nicht allein, aber ich bin auch kein Teil einer gigantischen Bewegung, die wirklich viel bewirken kann und genau das ist auch das Problem, auf das ich heute aufmerksam machen möchte.

Lügen verbreiten sich schneller als jedes Virus!

Hauptsächlich aktiv bin ich auf Facebook. Früher war ich in einer Gruppe engagiert, die sich #ichbinhier nannte. Ziel der Gruppe war es, sachliche oder empathische Kommentare zu schreiben und die Kommentare der anderen Mitglieder zu pushen, so das die Hasskommentare immer mehr an Relevanz verloren. Wer sich auf Facebook in die Kommentare begab, sollte nicht sofort auf Hass und Lügen stoßen, sondern vielmehr auf Menschlichkeit.

Wir waren gut! Wir konnten tatsächlich so manche Kommentarspalte umdrehen und so ein Stück weit für ein besseres Facebook sorgen. Diese Gruppe gibt es seit zwei Jahren nicht mehr, deshalb gründeten einige von uns eine Nachfolgegruppe mit dem Namen #anDeinerSeite. Wir sind immer noch aktiv und kämpfen uns täglich durch eine Menge Unrat, aber die Schlagkraft von damals haben wir noch lange nicht erreicht.

Die Situation auf Facebook hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert. Früher dominierten meist nur ein oder zwei Themen, so das wir immer gut vorbereitet waren. Heute schlägt der Hass in so viele Richtungen und mit so einer unvorstellbaren Vehemenz, dass wir im Grunde kaum noch etwas ausrichten können. Selbst unter Katzenvideos wird heute gegen die Ampel, die Grünen, Homosexuelle oder irgendeine Impfung gehetzt. Die Stimmung ist nur noch feindselig und aggressiv.

Eine silberne Fahne weht vor einem wolkigen Himmel.

Und genau aus diesem Grund bin ich nicht mehr nett. Es kommt immer häufiger vor, dass ich auf jeglich Sachlichkeit verzichte und diesen Leuten sehr deutlich zu verstehen gebe, was von ihnen halte. Das ist kein besonders feiner Charakterzug, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Gesellschaft generell so mit diesen Menschen umgehen sollte. Ausgrenzung und Ablehnung schützen vor der Ausbreitung von Lügen, Rassismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit und sonstigen Formen von Hass. Nettigkeiten und Verständnis haben dafür gesorgt, dass die AfD in den Wahlumfragen auf über 20 % kommen konnte. Das bedeutet das jeder 5. Wähler oder jede 5. Wählerin empfänglich sind, für Populismus und Unwahrheiten. Ich sehe hier eine große Gefahr für unsere Demokratie und somit für unsere Freiheiten.

Jetzt könnte man natürlich sagen: „He, lass doch den Scheiß! Sollen sie sich doch in ihrer Blase selber belügen“. Ja, das wäre natürlich schön, aber so funktioniert das leider nicht! Nach meinen Kenntnisstand informieren sich 20 % der User in den Kommentarspalten weiter. Wenn man also mit ausreichend vielen Lügen diese 20 % erreichen kann, kann man so eine Gesellschaft verändern und spalten und man kann so auch Wähler negativ beeinflussen.

Schauen wir uns die heutige Gesellschaft doch einmal an. Viele Falschmeldungen aus den sozialen Netzwerken haben die breite Masse schon lange erreicht. Wie viele Bürger glauben heute, dass E-Autos ständig abbrennen? Wie viele Wähler geben den Grünen die Schuld für alles, was gerade passiert, inklusive dem Wetter und dem Kontinentaldrift? Wie viele Menschen halten mittlerweile den Klimawandel für eine Lüge? Wie viele Leute glauben, dass es uns allen ohne Bürgergeldempfänger und Asylsuchende besser gehen würde?

Die Palette an Lügen ist dermaßen breit gefächert, dass man sich kaum noch in alle Richtungen ausreichend informieren kann. Der Informationsstrom ist gigantisch und man muss sich heute wirklich anstrengen, um dem nicht zu erliegen.

Diese Flut an Falschinformationen sind kein Zufall! Zum einen weiß man, dass Russland gezielt Falschinformationen in Europa streut, um unsere Demokratie zu schwächen, zum anderen ist es die AfD, die ganz gezielt die Gesellschaft spaltet und rechtsextreme Inhalte in die Gesellschaft bringt. Natürlich gibt es noch viele weitere Gruppierungen, die gezielt falsche Informationen verbreiten, aber nur eine Gruppe sticht besonders auffällig hervor und das ist die AfD, ihre Anhängerschaft und ähnliche rechtsextreme Parteien oder Gruppen. Gerade die AfD invertiert eine Menge Geld und Arbeitszeit in die sozialen Medien. Der Mut zur Wahrheit ist übrigens auch nur eine Lügen, denn wenn man sie auf ihre Unwahrheiten anspricht, reagieren sie äußerst allergisch und aggressiv.

Es beginnt immer mit einem verhältnismäßig harmlosen Populismus und schon kurz darauf beginnen daraus Lügengeschichten zu entstehen, die immer im Hass enden. Aus einer kleinen Gruppe, die die Coronamaßnahmen kritisierten, was natürlich ihr Recht war, entstand eine gewaltige Gruppe von Reichsbürgern, Esoterik-Schwurblern und Rechtsextremisten, die ihren Hass auf den Staat regelrecht feierten. Es wurden Geschichten verbreitet, die selbst Stephen King nicht eingefallen wären. Am Ende entstand ein Klima, wo es nur noch „wir gegen die“ gab. Entweder wollte man die „Corona-Diktatur“ beenden, oder man war ein Schlafschaf. Diese Spaltung war für die AfD ein Fest der Freude. Noch heute sind diese Leute aktiv und sie verbreiten noch immer ihre Fantasien und ihre Geschichten. Würden ihre Behauptungen stimmen, wären wir alle schon lange Tod.

Wir befinden uns im sogenannten Informationszeitalter. Wir sind so gut informiert, dass wir mehr wissen als die Leute, die sich tatsächlich auskennen.

Wir erinnern uns alle an die Corona-Zeit, als plötzlich 80 Millionen Experten wussten, wie sich Viren verbreiten und später wie man einen Impfstoff herstellt. Das war noch irgendwo lustig, später entwickelte sich daraus eine radikalisierte rechtsextreme Masse, die dermaßen von diesen Lügen und dem Hass aufgeputscht wurden, dass sie versuchten, den Reichstag zu stürmen. Auch wenn diese Revolution ziemlich lustig endete, zeigt es doch deutlich, welche Macht diese falschen Informationen haben.

Die Treppe vor dem Reichstagsgebäude in Berlin.

Die Geschichte mit dem imaginären Kantholz war lustig, der Mord an Walter Lübcke, der Angriff auf die Synagoge in Halle und die Morde in Hanau waren es nicht! Deshalb stürzen wir uns tagtäglich in die Kommentare und versuchen vieles richtigzustellen. Uns ist bewusst, dass wir es mit Multi-Accounts und ausländischen Troll-Fabriken zu tun haben, aber aufgeben wollen wir auch nicht. Aber wir müssen aufklären!

Sollte man wirklich die Reichweite von Fake-News erhöhen?

Nach neusten Kenntnissen weiß man, dass sich die Reichweite eines Kommentars erhöht, wenn man darauf reagiert. Das bedeutet, dass wir zu einem kleinen Teil mitverantwortlich sind für die Verbreitung von Fakes und Hass. Ja, das ist bitter, aber hier könnte man auch die Seitenbetreiber auf Facebook verantwortlich machen, weil sie nicht vernünftig moderieren.

Seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, ob man wirklich auf diese Kommentare reagieren sollte und auch wir von Mitkindimrucksack sind hier ganz unterschiedlicher Meinung.

Seit 10 Jahren verbreitet die AfD ihre Lügen im Netz und in dieser Zeit gab es in der Bevölkerung nur sehr wenig Widerspruch. Es gibt unzählige geschlossene Gruppen, wo sich Mitglieder, Anhänger und AfD-Wähler ungestört radikalisieren können. Nicht nur auf Facebook, sondern auch auf Telegram, Whatsapp oder TikTok. Die rechtsextremen Inhalte verbreiten sich von ganz alleine, da spielt unsere Gegenrede keine wirklich große Rolle.

Auf der anderen Seite kommt es immer wieder vor, dass sich Leute für unsere Arbeit bedanken. Viele Menschen sind froh, wenn man sich dem Hass entgegenstellt. Wir setzen ein Zeichen, in dem wir zeigen, dass es noch Menschen gibt, die anders denken und den Hass entschieden ablehnen. Ich halte es für einen großen Fehler, wenn Kommentare, die den größten Unfug enthalten, unkommentiert bleiben. Hass braucht Widerspruch, damit er nicht zur Normalität wird.

Kann man sich vor falschen Meldungen schützen?

Das wird in Zeiten von KI immer schwieriger, aber ja, man kann diese Lügen erkennen. Als Faustregel gilt bei mir, was so unglaublich klingt, dass es nicht real sein kann, ist auch nur eine Lüge. Um ganz sicher zu gehen, reicht meist eine kurze Internetrecherche aus, um den Schwindel aufzudecken. Findet man zu dem Thema keine weiterführenden Informationen, bestätigt sich der Verdacht. Findet man Informationen, lohnt es sich, diese auch wirklich zu lesen, denn nicht selten werden Fakten dermaßen verdreht, dass sie mit der Realität nicht mehr viel gemein haben.

Man muss bedenken, dass eine Lüge oftmals so lange wiederholt wird, bis genügend Menschen sie glauben. So werden Lügen zu Fakten und spätestens dann macht Gegenrede keinen Sinn mehr. Diese Taktik betreibt die AfD seit Jahren sehr erfolgreich. Also bleibt achtsam!

2 Kommentare

  1. Hallo Nico und Familie.
    Danke für diesen sehr gelungenen und leider auch etwas traurigen Beitrag.
    Ich kann das alles nur unterschreiben.
    Mein Name (Nette) ist Programm, aber es fällt mir immer schwerer, dem gerecht zu werden.
    Danke für deine Unterstützung im Netz, und trotz allem noch viele schöne Reisen mit dem Kind im Rucksack von einer Seniorin, die gerade auf den Kanaren weilt. 😉
    Gruß Nette

  2. Hi Nico,
    ja, die Zeiten, nett zu sein, sind vorbei, seit sellner, höcke, kubitschek dem Ansatz des widerlichsten Demokratieschänder, steve bannon, folgen und das Netz mit Shice fluten.

    24/7/365 läuft deren Maschinerie und bedient sich auch der Bots aus Moskau, die millionenfach unterirdische Kommentare schreiben.

    Nein, ich bin nicht mehr nett, seit die aktuelle unionsführung rund um merz, söder, linnemann, dobrindt, spahn und andere kaum noch von der ReichsNaziRotte zu unterscheiden ist.

    Und doch haben wir eine Ampel, die in den schwierigsten Krisen der letzten Jahrzehnte starten musste und z. B. die Energiewende als absolutes Erfolgsmodell auf den Weg gebracht hat.
    Das stimmt mich dann wieder etwas netter.

    Und auch die millionenfach teilnehmenden Menschen aus allen Ebenen der Bevölkerung gegen Rechtsextreme aus dem braunen Sumpf jenseits der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung machen Mut. Unbedingt!

    Liebe Grüße an das Kind im Rucksack und die Familie insgesamt

    Klaus

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